Oxly Boote

Sportboot-Führerschein erst ab 15 PS?

2012 © Thomas Gade

Ein Wurf und der Rettungsring treibt auf dem Wasser. Die angehenden Sportschiffer auf dem Boot der Segelschule Wannsee machen ihre Sache gut. Sie fahren einen Verdränger mit tiefem Kiel, der den eingeschlagen Kurs ordentlich beibehält, anders als der labile Gleiter, auf dem ich einst meine Stunden absolviert habe. Das Boot wendet korrekt und fährt mit geringer Geschwindigkeit auf den Rettungsreifen zu. Der Fahrlehrer kriegt ihn ohne Mühe mit seinem Bootshaken an Bord und wirft ihn kurz darauf wieder ins Wasser. Die übung wird wiederholt. Die Besatzung kann zufrieden sein. Ihre Manöver gelingen. Die anstehende praktische Prüfung dürfte keine unüberwindliche Hürde sein.


Schwimmender Rettungsring


Mann über Bord - gelungenes Manöver

Seit langem ist der Sportbootführerschein Pflicht für Boote ab 5 PS. Wer sich den Vorbereitungen und Prüfungen zum Erwerb des Führerscheins gestellt hat, wird so manche Frage des theoretischen Stoffs für Unfug gehalten haben, jedoch ist mindestens das Erlernen von Vorfahrts- und einigen Sicherheitsregeln wichtig, um sich auf dem Wasser richtig zu verhalten. Die Fahrpraxis kommt meistens zu kurz und ob man als Anfänger tatsächlich die unterschiedlichen Motoren und Getriebe auseinanderhalten können muss, mag bezweifelt werden. Wichtig ist in jedem Fall die Fahrpraxis. Dafür muss ein Lehrer nebst Boot vorhanden sein. Die Stunden kosten Geld. Die Konkurrenz unter den Sportbootschulen hat zu niedrigen Pauschalpreisen geführt, die nicht zulassen, dass durchschnittlich mehr als 4 Vorbereitungstermine an Bord zustande kommen. Für die mit Fahrerfahrung durch Gelegenheiten in der Familie oder im Freundeskreis reichen die Termine allemale. Die richtigen Anfänger erleben sie mit wiedersprüchlichen Empfindungen auf einer Skala zwischen Euphorie und Demütigung und wundern sich am meisten, wenn ihnen kurz darauf ein Prüfer das Bestehen ihrer Prüfungsfahrt bescheinigt. Ahnung vom Fahren eines Bootes haben sie deswegen noch lange nicht.

Ist das eigene Boot angeschafft, legt man sich in Erinnerung an die gelernten und im Detail rasch vergessenen Inhalte der Theorie wohlweislich die richtigen Unterlagen neben das Steuerrad. Dazu gehört vor allem eine übersicht über die Verkehrszeichen und Schallsignale. Zusätzlich sollte man in der Dämmerung und Nachts andere Schiffstypen anhand ihrer Navitationslampen erkennen können. Wer schleust, sollte die entsprechenden Signale vor Ort verstehen. Mit diesem Rüstzeug ist der Sportbootskipper auf den meisten Binnenrevieren gut für den Alltag ausgestattet.

Sicherheit versus Wirtschaft

In Deutschland boomt die Charterbranche. An immer mehr Stellen werden motorbetriebene Flöße bis hin zu großen Booten angeboten. Mit dem Charterschein, der nach einer angeblich drei Stunden dauernden Einführung, die oft in wenigen Minuten erledigt wird und vor der keine Eignungsprüfung stattfindet, ausgestellt wird, dürfen auf immer mehr Gewässern große Boote gefahren werden. Auf dicht befahrenen Revieren wie an der Müritz und auf der Havel bei Berlin und Potsdam sind zum Verdruß vieler gestandener Sportbootskipper nicht wenige Fahrzeuge regelwidrig unterwegs, die von Personen gesteuert werden, denen die elementarsten Kenntnisse über die Verkehrsregeln auf dem Wasser fehlen. Die Berufsschifffahrt, insbesondere die Schiffsführer der Ausflugsdampfer, zeigen keineswegs immer die gebotene Geduld und Rücksichtnahme gegenüber der steigenden Anzahl von naiv in den Fahrrinnen agierenden Bootsfahrern, denen ihr eigenes Fehlverhalten gar nicht bewußt ist.


Boote unterwegs. Wer ist wem ausweichpflichtig?

Die Tourismuswirtschaft in den wasserreichen Bundesländern, wie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, aber auch Niedersachen und Schleswig-Holstein ist sehr daran interessiert, den Wassertourismus zu fördern. Geräumige und bequeme Boot mit übernachtungsmöglichkeit sind mit 5 PS Motoren eindeutig untermotorisiert. Eine adäquate Motorisierung bedingt den Sportbootführerschein binnen, den zuviele potenzielle Kunden gar nicht haben. Im Sinne der Wirtschaftsförderung wurde der Charterschein, der seinen Namen nicht verdient, eingeführt nebst Strecken, die für solche Charterboote freigegeben wurden.

Derzeit erwägt die Regierung das Führen von Booten mit einer Leistung bis zu 15 PS ohne Sportbootführerschein zu legalisieren. Eine Erhöhung der PS-Zahl, ab der ein Bootsführerschein nötig ist, hätte zur Folge, dass mehr Boot mit größeren Motoren von Skippern ohne Führerschein gefahren werden. Die änderung bietet den Charterbetrieben die Möglichkeit, größere Boote an Kunden ohne Befähigungsnachweis zu vermieten.


Viele Boote - Wie verhält man sich?

5 PS oder 15 PS. Ist das so gravierend? Viele Sportboote haben Motoren mit wesentlich höheren Leistungen. 40 PS bis 300 PS sind üblich. Die Power ist nötig, um Boote in schnelle Gleitfahrt zu bringen. 15 PS sind eher etwas für behäbige Verdränger bis 7 Meter Länge, die maximal 12 km/h fahren können, und eher um die 4 Knoten (ca. 7,5 km/h) fahren. Doch gibt es kleine leichte Boote, beispielsweise aufblasbare, die mit 15 PS ganz schön auf Touren gebracht werden können. Sie wären zu schnell, um von Personen ohne Vorstellung vom korrekten Verhalten auf dem Wasser auf dicht befahrenen Gewässern gefahren werden zu können. Andererseits ist die Erhöhung der Motorisierung von 5 auf 15 PS vorteilhaft zur besseren Kontrolle eines Bootes bei ungünstiger Strömung und Gegenwind. Unter solchen Umständen braucht man einfach mehr Kraft.


Langsames Miteinander geht auch ohne Führerschein.

Unsere Nachbarn, die Holländer gehen mit dem Thema anders um. Dort ist der holländische Sportbootführerschein, 'klein vaarbewijs', für das Führen von Sportbooten ab einer Länge von 15 Metern vorgeschrieben und für kleinere, wenn sie schneller als 20 km/h fahren können. Das Kriterium Höchstgeschwindigkeit ist sinnvoll, spielt aber in Deutschland keine Rolle. Dieser Aspekt nebst der Größe und Verdrängung des Bootes sollte in den anstehenden Debatten um die änderung der Grenzen zur Erwerbspflicht eines Sportbootführerscheins berücksichtigt werden.

Auf den Seiten des Bundestages heißt es dazu: '... Die Führerscheinpflicht für Sportboote ab 15 PS bedeutet keinen Verlust an Sicherheit. "Die Koalition setzt auf die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger", ... ' Eine Erklärungen dieser Art ist, gelinde gesagt, unverschämt. Sollte sie stimmen, bestünde wegen der seit vielen Jahren geltenden Einschränkungen ein massiver Begründungsbedarf, dessentwegen die heutigen Politiker gefahrlos an ihre Vorgänger im Ruhestand verweisen können.

"Die Koalition setzt auf die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger", ein schöner Satz, der dann herausgekramt wird, wenn es den Regierenden paßt. Vollkommen hohl und unverbindlich. Wir würden ihn beim Thema Promillegrenze an Bord unterstützen. Leider wird sich in dem Fall keine Lobby der alkoholproduzierenden und -verkaufenden Unternehmen stark machen, weil die bestehenden Regeln ohnehin mißachtet werden und eine offizielle Lockerung nicht mehr Geld in die Kassen der betroffenen Anbieter spült.

Vorschriften in anderen Ländern

Schauen wir mal über den Tellerrand und sehen uns die Vorschriften in anderen Ländern an. Ab wann besteht dort eine Fahrerlaubnispflicht? Wir haben die Daten im Internet recherchiert. Alle Angaben sind ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit.
Land Mindesalter Motorboot Segelboot Rumpflänge Alkohol, Fahrverbot ab
Deutschland 16 ab 3,68 kW / 5 PS kein FS * 0,5 Promille
Koratien für alle ab 3 Meter Länge 0,5 Promille
Polen ab 10 kW bis 7,5m Rumpf frei ab 7,5m 0,2 Promille
Slowenien ab 7,35 kW bis 7m Rumpf frei ab 7m
Estland ab 25 kW ab 25qm Segel
Norwegen ab 19 kW bis 8m Rumpf frei ab 8m 0,2 Promille
Frankreich ab 4,5 kW frei
Spanien ab 11,03 kW Motorboote ab 4m Segelboote ab 5m
Niederlande ** 12 / 18 ab V max 20 km/h ab 15m 0,5 Promille


* nur auf bestimmten Gewässern in Berlin und auf dem Bodensee
** Die Niederländer als Land der Grachten vertrauen der überlieferten Erfahrung im Umgang mit Booten. Sie haben sehr großzügige Regelungen. Offene Motorboote mit bis zu 7m Rumpflänge und einer Höchstgeschwndigkeit von 13 km/h dürfen ab 12 Jahren gefahren werden. Segeln ist im Fahrwasser nur mit laufendem Motor erlaubt, der das Boot auf mindestens 6 km/h Geschwindigkeit bringen kann. Für Fahrer und Beobachter auf Wasserskibooten gilt die 0,0 Promilleregelung.

Lösungsvorschlag

Eine theoretische Einweisung in die Materie ist unabdingbar. Eine Prüfung mit Abfragen zu den Verkehrszeichen, Ausweichpflichten, und elementaren Sicherheitsaspekten muss für den Sportbootführerschein vorgeschrieben sein. Alles, was nicht der Sicherheit und der besseren Orientierung auf dem Wasser dient, fliegt aus den Prüfungen raus. Fragen zum Dichtungsmaterial einer Stopfbuchse oder nach Motorantriebsarten haben in den Prüfungen nichts zu suchen. Alternativ geht der Fahrlehrer mit seinen Schülern über ein Bootsgelände und zeigt ihnen unterschiedliche Bootstypen und Motoren. Die Bestätigung der Teilnahme am Rundgang reicht aus. Die theoretische Prüfung muss viel einfacher und völlig von überflüssigem befreit werden.

Die Praxis muss weiterhin das An- und Ablegen, das Einschlagen und Halten eines Kurses, Drehen auf engem Kreis, das Aufstoppen und das Mann über Bord Manöver vermitteln. Zumindest das Verständnis dieser Manöver muss in einer Prüfung nachgewiesen werden.

Seemannsknoten? Es ist schön, den Palstek zu kennen sowie das Belegen an der Klampe. Aber davon sollte man den Erhalt des Sportbootführerscheins nicht abhängig machen wenn zugleich andere mit einem Charterschein mächtige Sportboote durch das Revier fahren.

Kommentare:

Skipper Nobbi / 11. Februar 2012 at 15:07
Ich halte eine Ausweitung der Führerscheinfreiheit nicht für sinnvoll. Man muss sich fragen, WARUM man mit 15PS ohne Führerchein unterwegs sein soll. WEM nützt das? a) Wassersporttourismus b) Motorenhändler c) Allen Leuten, die ohne Kenntnisse eben mal Gas geben wollen und sich die "Mühen" eines Sportbootführercheines ersparen wollen. d) Wasserschutzpolizei, die kann nun mehr Tickets austellen e) Boothändler Soweit fördert eine Neuregelung das Brutto-Inlands-Produkt. Immer beliebt derzeit.

Allerdings: Beim Sportbootführerschein geht es aber eben nicht nur darum, die Vorfahrtsregeln auf dem Wasser zu lernen, sondern eben auch andere Themen, wie Navigation, Schilder, Bootskunde, Wetter, Knoten, Vorsicht und Umsicht und Verhalten in Not, wo es schnell auch einmal um Menschenleben gehen kann. Auch um Schutz von Natur und Umwelt. Es geht aber auch darum, Teil einer Gemeinde zu sein, die geschriebene und ungechriebene Regeln hat. Wenn man nun die Führerscheinpflicht auf 15 PS ändert, dann erweitert man tendenziell und ganz leicht den Kreis der Wassersportler – wozu ich als Segler eines 15er Jollenkreuzers jetzt auch mal den gemeinen Angler zähle – die sich bald auf dem Wasser bewegen, aber leider keine Ahnung von der Materie haben. Damit gefährden sie sich selbst, die Natur und andere Wassersportler. Das Modell folgt der alten Regel: Liberalisieren, weil es der Wirtschaft und dem Staat "nutzt", alle Schäden dann aber der Allgemeinheit überlassen. Bin selbst von "irren" Touristen schon einmal fast versenkt worden. Sorry, aber gerade weil sich ohnehin eine sinkende Bereitschaft zeigt, Regeln zu akzeptieren, statt dessen viele Themen des Lebens nur noch oberflächlich behandelt werden, sollte man hier darauf achten, dass nicht auch noch der Freizeitbereich Wassersport mit seinen kundigen Wasserportlern und den schönen Revieren dermaßen "entwertet" wird, das jede olle Landratte mal eben aus Lust und Laune mit einem Motorboot führerscheinfrei und ohne Ahnung kreuz und quer über den Teich jagt. Die Berufsschifffahrt dürfte das Thema ohnehin mehr als skeptisch sehen.

Mast und Schotbruch, Skipper Nobbi

Gerd / 19. Mai 2012 at 14:35

Die Aufhebung des Funkzeugnisses wäre ein Beitrag zur Sicherheit. Bin gerade auf der MüritzSail und habe dort mit der Wasserschutzpolizei gesprochen. Sie sagen ganz eindeutig, dass seitdem es Handys gibt, entschieden weniger Tote auf der Müritz zu beklagen sind.