Herbst. Die letzte Fahrt vor dem Winterlager
Thomas Gade © Oktober 201221. Oktober 2012. Die Sonne scheint, es ist windstill und erstaunlich warm. Wir fahren von Spandau auf der Havel nach Hennigsdorf. Nur noch wenige Ausflugsdampfer sind unterwegs. Die große Havelqueen mit ihrem Schaufelrad und der Moby Dick liegen regungslos an der Promenade im Tegeler See. Aber das gute Wetter hat noch so viele Leute heraus gelockt, dass ein paar Fahrgastschiffe, die in den letzten Tagen kaum noch zu sehen waren, unterwegs sind. Auf dem Fluss begegnen wir einigen Freizeitbooten, darunter einigen Segelbooten, die mangels Wind mit Motorbetrieb laufen. Der Wetterbericht verheißt nichts Gutes für die kommenden Tage und viele Boote werden bis Ende Oktober an Land gestellt, wo sie bis zum Beginn der nächsten Wassersportsaison stehen werden.
Binnenschiff auf der Havel-Oder-Wasserstraße
Herbstlaub am Tegeler See
Die Bäume am Ufer tragen ihr gelbes, hellgrünes oder rotes Laub. Es ist ein Feuerwerk der Farben, welches das grüne Einerlei der sommerlichen Bäume vor ihrem Kahlwerden ablöst. Das Boot fährt mit gleichmäßigen Tuckern ruhig auf dem Fluss, der kaum Wellen aufweist. Die unerwartete Wärme versetzt uns in eine meditative Stimmung. Auf dem Niederneuendorf See wird die Ruhe kurzfristig durch zwei Jetski-Fahrer gestört, die nochmal ordentlich Gas geben. Der Augenblick vergeht schnell und wir erreichen die künstliche schmale Insel zwischen der Havel-Oder-Wasserstraße und dem Niederneuendorfer See, die einst von der DDR errichtet wurde, einem Kontrollpunkt für Binnenschiffe einzurichten. Auf einem Baum steht ein Graureiher auf dem Rand eines Nests. Er hat sich der Sonne zugewandt und seine Flügel geöffnet, als sonnt er. Durch das Teleobjektiv ist zwischen seinen Beinen etwas Flauschiges zu erkennen, das sich bewegt. Wir wagen nicht an die kühne Vermutung zu glauben, dass hier ein verspäteter Nachwuchs betreut wird, denn die kalte Jahreszeit steht vor der Tür. Darüber kann auch die sommerliche Wärme nicht hinwegtäuschen.
Graureiher im Nest
Kormorane auf einem Baum
Auf den Ästen des benachbarten Baums sitzen Kormorane. Er hat weder Laub noch Rinde. Die Vögel haben ganze Arbeit geleistet und sich einen ihnen genehmen Ruheplatz geschaffen. Wir fahren ein Stück in den Havel-Kanal hinein und entdecken eine Gruppe von Motoryachten, die uns vorher überholt haben, am Gastanleger eines Restaurants am Yachthafen. Einen schöneren Tag für ihren Ausflug hätten sich ihre Besatzungen kaum aussuchen können.
Zwischen Tegelort und Scharfenberg
Angler im Boot nahe am Ufer
Wir drehen um. Das mittlerweile fast golden leuchtende Laub und die Wärme hat zahlreiche Menschen an das Ufer der Havel gelockt. Sie sitzen auf den Bänken und in den Ausflugslokalen, die sich über den unerwarteten Besucherandrang gefreut haben. In kleinen Booten stehen Angler, die seltsamerweise oft ganz in der Nähe des Ufers ihre Schnüre ausgeworfen haben. Warum sie dafür ein Boot benötigen, ist nicht nachvollziehbar. Diverse Stege sind bereits leer. Die Boote sind verschwunden. Am Tag zuvor konnten wir bei bestem Wetter an mehreren Liegeplätzen beobachten, wie Boote aus dem Wasser gekrant oder geslippt wurden. Wir sind froh, dass uns dieses Wochenende auf dem Wasser gelassen wurde.
Leere Stege an der Insel Lindwerder
Autofähre an der Havel
Wir fahren an der Autofähre vorbei, die zwischen Tegel Ort und Spandau verkehrt, und erreichen die Stelle, wo der Tegeler See von der Havel abzweigt. Wir nehmen Kurs auf die Insel Scharfenberg, auf der sich ein Internat befindet. Es scheint, als ob das Herbstlaub noch intensiver leuchtet. Das mag am veränderten Sonnenstand liegen oder daran, dass die baumbewachsenen Ufer nahe sind. Auf der Insel Lindwerder hockt ein Mann in Badehose am kleinen Strand und sonnt sich. Nirgendwo ist ein Boot zu sehen. Die Stege der Insel sind leer. Beim Umrunden der Insel entdecken wir ein einzelnes Boot. Es mag ihm gehören. Als letzter nutzt er die Insel, auf der einige wenige Hütten stehen, die Menschen mit einem besonderen Hang zur Abgeschiedenheit gehören. Wer sonst, würde sich auf einem kleinen Eiland mitten im See ein Wochenenddomizil zulegen, das nur mit einem kleinen Boot erreichbar ist.
Rotes Herbstlaub
Die Oberfläche des Tegeler Sees erscheint silbern und ruhig wie Öl. An den Stegen des Segel-Klub Nixe sind die Boote noch im Wasser. Von Aktivitäten zum Herausnehmen der Boote ist noch nicht erkennbar. Es ist halb fünf Uhr nachmittags und die Kraft der Sonne lässt spürbar nach. Sie steht bereits tief über dem Horizont. Wir legen das letzte Stück des Weges zu unserem Liegeplatz am Bootshaus Lahe im Saatswinkel mit geringster Fahrstufe zurück. Stiller als sonst klaren wir das Boot auf. Es ist unsere letzte Fahrt in diesem Jahr gewesen. In den kommenden Tagen wird es winterfest gemacht und an Land gestellt. Nach dieser Fahrt wird unser Boot nur noch einmal auslaufen, um den Motor vor der Einwinterung ordentlich heiß laufen zu lassen, damit der Austausch des Kühlwassers gegen das Frostschutzmittel optimal verläuft.