Berlin. Havel. Hausboote auf der Route eines Fahrgastschiffes
Thomas GadeAuf der Havel in Berlin fahren zwei Hausboote nebeneinander. Zwischen ihnen befindet sich ein Kajak. Ein Blick durch das Fernglas zeigt, dass die Leute an Bord den Tag ruhig angehen lassen und gemütlich im Verband unterwegs sind. Die Sache hat einen Schönheitsfehler, wie wir von unserem Boot aus erkennen können. Hinter den Hausbooten kommt allmählich der Ausflugsdampfer MS Havel Queen auf, 67 Meter lang und 9 Meter breit. Die Leute an Bord der Hausboote blicken nach vorn. Der Schiffsführer der MS Havel Queen, ein Fahrgastschiff der ‘Stern und Kreisschiffahrt’ in Berlin, erkennt, dass die drei Boote voraus keine Notiz von seinem großen Fahrzeug nehmen. Er betätigt das Horn, um die vor ihm fahrenden Freizeitkapitäne aus ihren Träumen zu wecken. Auf einem Hausboot springt eine Person erschrocken auf, läuft auf die Backbordseite, um nach hinten zu blicken. Die Person am Steuerrad gibt hektisch Gas und leitet ein Ausweichmanöver ein. Die MS Havel Queen fährt vorbei. Auf dem ausweichenden Hausboot greift jemand zu seiner Kamera und fotografiert das Fahrgastschiff.
Zwei Hausboote vor der MS Havel Queen
Das Chartern von Hausbooten ist in. In den vergangenen Jahren wurden diverse Beschränkungen zum Führen von Booten ohne Sportbootführerschein aufgehoben, um die Tourismuswirtschaft auf dem Wasser zu fördern. Im vergangenen Jahr wurde die Pflicht zum Besitz eines Sportbootführerscheins von 5 PS auf 15 PS angehoben. Zum Fahren von Hausbooten ist die Anhebung auf 15 PS sinnvoll. Sie haben große Flächen, auf die Wind drücken kann, und sind keine Leichtgewichte. Antriebe sollten immer ausreichend dimensioniert sein, um die notwendigen Manöver durchzuführen.
Neben den technischen Details gibt es den Aspekt der Tauglichkeit und der Kompetenz des Schiffsführers. Die wichtigsten Ausweichregeln auf dem Wasser muss man kennen und berücksichtigen. Hier gehen der Gesetzgeber und der Wassertourismus einige Risiken ein.
Hausboote und MS Havel Queen auf dem Fluss Havel
Fälle, wie oben geschildert, schauen sich die Reedereien der Fahrgastschiffe ein paarmal an, sammeln die Beschwerden gegen das vermeintliche Fehlverhalten ihrer Schiffsführer und machen dann ein Meeting mit den zuständigen Behörden. Danach sind bestimmte Gewässerabschnitte für diese Boote gesperrt. 2012 wurden in Berlin Beschränkungen zum Befahren der innerstädtischen Spree mit Sportbooten ohne UKW-Anschluss eingeführt. Begründet wurden sie mit Bauarbeiten an der Mühlendammschleuse. Erfahrene Freizeitbootsfahrer, die hier seit Jahren ohne UKW unterwegs sind, wundern sich über diese Beschränkungen und kommentieren sie ablehnend in den Foren. Aber den zuständigen Wasserbehörden muss angesichts der Zunahme von relativ großen gecharterten Booten, die teilweise von unerfahrenen Personen auf der Spree geführt werden, mulmig geworden sein. Es fehlt noch, dass Gelegenheitsskipper mit mäßig beherrschten großen Booten auf der dicht befahrenen Spree beim Bundestag Behinderungen und gar Unfälle hervorrufen. Mit der UKW-Klausel, eingeführt durch eine Baumaßnahme, schließt man sie aus. Weitere Beschränkungen dieser Art brauchen wir gewiss nicht.
Schön, wenn es miteinander klappt.
Auf Binnengewässern sind die Ausweichregeln einfach. Es gibt drei Sorten Freizeitboote: Muskelbetriebene, gesegelte und mit Motorantrieb fahrende Boote. Motorboote haben allen auszuweichen, dürfen aber nicht von Segelbooten nach Steuerbord gedrängt werden, wenn das Ufer oder ein gesperrter Bereich (Badestelle) nahe sind. Paddel-, Ruder und Tretboote haben ‘Vorfahrt’ vor Motorbooten und weichen Segelbooten aus. Ansonsten gilt wie auf der Straße rechts vor links. Fahrende Freizeitboote haben der Berufsschifffahrt und Einsatzfahrzeugen auszuweichen. Kursschiffe, dazu gehören öffentliche Fahrgastschiffe und Fähren, haben oftmals Vorrang vor allen anderen Verkehrsteilnehmern.
Nanu? Das Fahrgastschiff wird fotografiert.
Reicht der Rundumblick beim Hausboot?
Beziehen wir dies auf ein Hausboot mit Motorantrieb. Es hat fahrenden Segelbooten, mit Muskelkraft betriebenen Fahrzeugen, der Berufsschifffahrt, Fähren und Einsatzfahrzeugen auszuweichen. Ein guter Rundumblick ist zur gebotenen Feststellung der Verkehrslage unabdingbar. Dem steht die Konstruktion eines Hausbootes im Weg, auch wenn Rückspiegel oder elektronische Hilfsmittel wie Kameras und Bildschirme die Sichtbarriere des hinter dem Rudergängers befindliche Hütte auf dem Boot teilweise kompensieren können. Ein freier Rundumblick ist auf vielen Hausbooten nicht gegeben. Üblicherweise ist man auf dem Hausboot nicht allein. Der Rudergänger muß einem anderen Besatzungsmitglied die Aufgabe erteilen, den hinter dem Boot liegenden Bereich im Auge zu behalten.Wasser ist nicht wie Straßen in markierte Spuren eingeteilt. Manche mögen die ausgetonnte Fahrrinne damit verwechseln. Fährt ein privater PKW auf der rechten Spur auf der Autobahn und ein Brummie nähert sich von hinten, hat dieser langsamer zu fahren oder zu überholen. Private PKW müssen den hinter ihnen aufkommenden gütertransportierenden Fahrzeugen nicht ausweichen. Auf dem Wasser ist das anders. Wenn das Sportboot gefahrlos ausweichen kann, ist es dazu angehalten. Auf den Seen und verbreiterten Flussabschnitten in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, die immer stärker wassertouristisch erschlossen werden, können Freizeitboote, besonders die mit wenig Tiefgang fahrenden Charter-Hausboote, fast immer weit neben dem ausgetonnten Bereich für die Berufsschifffahrt und abseits der erkennbaren Routen der Fahrgastschiffe fahren. Wie bringt man das in das Bewusstsein der Gelegenheitsskipper? Eine 3D-Rundumaufnahmekamera in Verbindung mit der entsprechenden App wäre hilfreich.