Oxly Boote

Von Ketzin nach Brandenburg und zurück

Bootsfahrt - Rückfahrt nach Berlin - Teil 3

Fotos zur Reise: Album

August 2012 @ Thomas Gade

Am Montag früh weckte uns das mittlerweile vertraute Klackern der Ketziner Seilfähre. Wir öffneten die Persennig des Bootes und hängten die Seitenteile aus. Der Blick auf die ruhige Havel war entspannend. Wir kochten einen Kaffee und beobachteten einen Graureiher, der am anderen Ufer entlang des Schilfgürtels spazierte, offenbar auf der Suche nach seinem Frühstück. Ein Binnenschiff zog träge vorbei. Es verursachte kaum Wellen, ganz im Gegensatz zu den vielen kleinen übermotorisierten Flitzern, die am Wochenende unterwegs gewesen waren. Der lebhafte Trubel der vergangenen Tage, an denen hier ein Fischerfest gefeiert wurde, war vorbei. Die Besucher waren abgereist. Außer uns lag an dem Steg kein weiteres Boot, auf dem sich Reisende befanden. Schon am frühen Morgen war es sehr warm. Das Radio drohte einen weiteren Hitzerekord an. Beim Kaffee beobachteten wir die geschäftige Seilfähre, deren Geräuschkulisse vermuten ließ, dass ihr Antrieb regelmäßig einer sorgfältigen Überprüfung und des Zuspruchs bedurfte.


Seilfähre ‘Charlotte’ auf der Havel bei Ketzin

Sicherlich war das permanente Anheben der schweren Kette vom Grund der Havel eine enorme Belastung für den Motor. Wir hätten gerne gewusst, ob und wie häufig die Kette in der Vergangenheit gebrochen war. Auch fragten wir uns, wer an diesem friedlichen Morgen das dringende Bedürfnis verspürte, ans andere Ufer zu gelangen, sowohl von der einen wie auch von der anderen Seite. Eigentlich wollten wir auf der Havel in Richtung Werder fahren und von dort aus durch Caputh und Potsdam nach Berlin, um unser ‘altes’ Revier, in dem wir im vergangenen Jahr unterwegs waren, mal wieder in Augenschein zu nehmen. Die angekündigte Hitze ließ uns zu dem Entschluss kommen, den kürzeren Weg durch den Sacrow-Paretzer Kanal zu nehmen. Das Radio hatte 36° im Schatten und Windstille angekündigt. Unter solchen Umständen reduzierten sich die Fähigkeiten zur genussvollen Wahrnehmung der vorbeiziehenden Landschaft. Wir sahen uns schon vor der Hitze abgestumpft durch Potsdam fahren, wo auf dem Wasser stets einiges los war. Der unter anderen Umständen stets erfrischende Blick auf die Glienicker Brücke wäre nach der bis dahin zurückgelegten Fahrtstrecke im Halbschatten der Persennig auf unserem langsamen Verdränger nicht mehr erhebend gewesen.

Vor der Abfahrt nahm ich einen erfrischendes kühles Bad in der Havel. Nur ungerne reisten wir aus Ketzin ab. Wir wären gerne nochmal durch den Ort gestreift, aber wir mussten heute Abend wieder in Berlin sein. Bei anderer Gelegenheit werden wir das nachholen, hoffentlich ohne den Trubel und das Gedränge durch eine festliche Veranstaltung. Wir legten ab und nahmen Kurs in Richtung Paretz. Dort beginnt der Sacrow-Paretzer Kanal, in den wir hineinfuhren. Durch die absolute Windstille war das Wasser spiegelglatt. Unser Boot erzeugte ein paar Wellen. Wir sahen lange Zeit niemanden auf dem Kanal. Weder kam von achtern ein Binnenschiff auf, noch fuhr uns eines entgegen. Sportboote waren gar nicht unterwegs.

Der Himmel war nicht blau sondern silbrig glasig. In einigen Stunden würde es zu einem Hitzegewitter kommen. Bis dahin wollten wir zurück sein. Wir durchquerten den Schlänitzsee, auf dem wir bei anderer Gelegenheit etliche Sportboote gesehen hatten. Heute war er leer und verlassen. Wir tuckerten weiter und erreichten den Fahrländer See dessen Zufahrt durch ein langes Netz gesperrt war.


Sacrow-Paretzer Kanal. Fahrländer See

Hinter Neufahrland erreichten wir die letzte Kanalenge vor dem Jungfernsee. Hier begegneten wir einigen Berufs-und Freizeitbooten. Die einsame Fahrt im Hinterland war zu Ende. Beim Beobachten der anderen schien es, als ob die glühende Hitze ihre Bewegungen verlangsamt hatte. Die Kanufahrer bewegten ihre Paddel in Zeitlupe und ein Schleppverband, den wir auswichen, brauchte lange, um an uns vorbeizukommen. Der Jungfernsee gehörte zu unserem alten Revier, aus dem wir dieses Jahr unser Boot in den Norden Berlins verlegt hatten. Wir betrachteten eine kleine Villa auf einer Anhöhe und die Meierei in der Nähe des Cecilienhofes und kamen zu dem Schluss dass der Norden, also der Tegeler See und die Havel zwischen Spandau und Tegelort mehr zu bieten hatten, als wir vor der Verlegung unseres Bootes befürchtet hatten. Das Revier an der Oberhavel musste den Vergleich mit den Gewässern zwischen Potsdam und Wannsee nicht scheuen.


Sacrow-Paretzer-Kanal kuz or dem Jungfernsee


Burgähnliche Villa am Jungfernsee

Steuerbordseitig sahen wir die Glienicker Brücke im Gegenlicht. Ein Ausflugsdampfer tauchte auf. Der Sperber, der im vergangenen Jahr häufig an unserem Liegeplatz im Pohlesee vorbeigefahren war und aufgrund seines netten Erscheinungsbildes zu einem Gefährten auf dem Wasser geworden war, den wir stets gerne sahen. Sein Schiffsführer war, vorsichtig ausgedrückt, nicht schlank, und wir hatten uns wiederholt gefragt, wie er in seinen beengten Steuerstand kam.


Ausflugsdampfer Sperber vor der Pfaueninsel

Wir folgten dem Sperber in Richtung Pfaueninsel. Er fuhr etwas schneller als wir, legte aber zweimal an, so dass wir uns über eine längere Strecke begleiteten. Dicht bei der Pfaueninsel lebte ein alter Bordwitz auf. Während unserer ersten Fahrt auf unserem Boot waren wir als unerfahrene Neulinge auf dem Wasser hier entlang gefahren und meine Begleiterin hatte stur den Kurs gehalten, obwohl die Fähre ablegte. Wir waren um Haaresbreite daran vorbeigefahren. Einige Tage danach wurde eine neue Fähre in Betrieb genommen und die alte lag seitdem unbenutzt am Ufer der Pfaueninsel. Wir konstruierten daraus die Fabel, dass die erste Fähre durch unser Manöver dermaßen verschreckt wurde, dass sie außer Dienst gestellt werden musste. Wie üblich neckte ich meine Begleiterin am Steuerrad mit der Bemerkung: “Fahre etwas langsamer! Sonst gibst du der alten Fähre den Rest.”


Pfaueninsel. Langsam an der alten Fähre vorbei. Bloß nicht verschrecken!

Darüber mussten wir stets lachen. Dann waren wir vorbei. Der vorausfahrende Sperber gab Gas und fuhr davon. Mit einem Mal wurde es windig. Eine frische Brise wehte über die Havel. Es wurde wellig. Endlich konnten wir Getränke zu uns nehmen, ohne einem sofortigen Schweißausbruch ausgesetzt zu sein. Die bis jetzt um den Hals gelegten Handtücher wurde nicht mehr benötigt. Unsere Trägheit wurde buchstäblich weggeblasen. Unser Boot schaukelte gemütlich voran. Auf der Höhe zwischen Kladow und dem Wannsee begegneten wir einen weiteren Bekannten, dem Ausflugsdampfer Moby Dick, der ebenso wie unser Boot am Tegeler See beheimatet war. Ein Stückchen weiter nördlich hatte wir wieder die Kraft, um erkundende Abstecher zu wagen. Wir nahmen Kurs auf die Marina Lanke, um Ausschau nach dem Boot eines Freundes zu halten. Wir konnten es nicht identifizieren, bekamen aber genügend Diskussionsstoff über verschiedene Bootstypen, die dort lagen. Auch sprachen wir darüber, dass viele der teuren Boote so gut wie nie bewegt wurden. Ihre Eigner hatten entweder keine Lust mehr oder keine Zeit, um mit ihnen unterwegs zu sein. Eigentlich wäre es sinnvoll, in Eignergemeinschaften wenig Boote zu unterhalten, denn das sinnlose und teure Herumdümpeln der unbenutzten Boote in den Marinas schien keine ausreichende Begründung für ihre Existenz zu sein. Obwohl viele Bootseigner Mitglieder von Vereinen sind und sich in dem Rahmen Boote teilen könnten, sind die Stege der betreffenden Marinas fast immer voll belegt. Trotz ihrer seltenen Benutzung werden die Boote sorgfältig gepflegt. Vor dem Winter holt man sie aus dem Wasser und stellt sie auf Böcke. Im Frühjahr werden sie wieder ins Wasser gesetzt. Die Pause wird häufig für Wartung-und Pflege arbeiten genutzt. Wofür eigentlich, wenn die Boote kaum fahren, fragt man sich.


Untere Havel in Spandau

Wir erreichten den kanalartigen Abschnitt der Havel durch Spandau und fuhren entlang der Promenaden und gewerblich genutzten Gelände zur Schleuse. Ein Binnenschiff kam uns entgegen. Wir vermuteten, dass es durch die Schleuse gekommen war und die dort wartenden Boote, die Strom aufwärtsgeschleust werden wollten, bereits in die Kammer einliefen. Wir würden zu spät kommen. Als wir um die Ecke bogen und die Schleuse sahen, standen alle Ampeln auf Rot. Die Boote befanden sich bereits in der Schleusenkammer. Zu spät, dachten wir, doch das Schleusenpersonal hatte uns gesehen und stellte die Ampel für Sportboote wieder auf Grün um. Wir durften mit. Zum ersten Mal hatte ein Schleusenwärter etwas dagegen, dass ich den Motor während des Schleusenvorgangs laufen ließ. Mit lauter Stimme rief er von seinem Traum aus nach unten: “Machen Sie mal den Motor aus!” Na gut, wenn es denn sein muss. Es waren nur Sportboote in der Schleusenkammer, kein Binnenschiff, dass vor dem Auslaufen durch das in Gang Setzen seiner Schrauben das Wasser in der Schleusenkammer durcheinanderwirbeln würde, also ein harmloser Vorgang. Dann waren wir durch und fuhren das letzte Stück zu unserem Hafen am Tegeler See. Es war eine schöne Fahrt, die wir unter weniger extremen Wetterverhältnissen gerne mit mehr Zeit im Gepäck wiederholen möchten.



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