Die Bootsmesse Hanseboot in Hamburg soll ab 2018 nicht mehr in der bisherigen Form stattfinden. Diese Ankündigung bewegt einige Gemüter in der Wassersportszene. Das Aus für die Hanseboot wird mit Bedauern aufgenommen. Aber die Veranstalter weisen auf sinkende Besucherzahlen hin und auf wirtschaftliche Folgen. Es heißt, dass die Verkäufe seit der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 abgenommen haben. Dies betrifft vor allem teure Boote. Bei günstigen Produkten, wie Stand-up-Paddle-Boards, ist das nicht nachvollziehbar, aber es sind die großen Bootsanbieter, die teure Standflächen auf der Messe mieten und sie wirtschaftlich infrage stellen, wenn sie ihre Präsenz auf Messen reduzieren. Wenn weniger Werften ausstellen, kommen auch weniger Besucher.
Ich will aus Sicht eines Berliners meinen Senf zugeben. Mein Boot liegt am Tegeler See und hier gibt es diverse Marinas und auch einige aktive Bootsfahrer. Beim Betrachten der dümpelnden Boote in den Marinas fällt mir auf, dass die meisten relativ selten bewegt werden. Es gibt einen aktiven Kreis, den man immer wieder auf dem Wasser antrifft, aber für die meisten größeren Boote trifft es nicht zu.
Die meisten größeren Boote liegen unbenutzt in den Marinas
Wozu hat man ein Boot, das laufend Kosten verursacht, wenn es gar nicht benutzt wird? Diese Frage dürfte auch Messebesucher bewegen, die schöne Boote sehen, aber auch ihre Preise und Folgekosten kennen. Vielleicht würde man sich eines kaufen, wenn dafür die Zeit vorhanden wäre, aber oft haben Gutbetuchte, die noch aktiv im Arbeitsprozess stehen, sie einfach nicht.
Seit einigen Jahren besuche ich stets die Berliner Bootsmesse. Vieles ist bekannt und wird deswegen im Laufe der Zeit langweilig. Inzwischen interessiere mich weniger die Boote, als für Anbieter und Vorführungen, die etwas mit der Pflege und Wartung zu tun haben. So habe ich letztes Jahr einen Textilkleber erstanden, mit dem ich eine alte Persenning erfolgreich stabilisieren konnte. Das Zeug ist super. In diesem Jahr möchte ich mir am Stand von West System einige Tipps und das Material für zwei beabsichtigte GFK-Arbeiten an meinem Boot holen.
Für viele Bootsfahrer dürfte daher der Zubehörbereich am spannendsten sein, denn durch die Praxis des Bootsfahrens erlebt man Verschleiß oder den Wunsch nach Verbesserungen und nutzt Bootsmessen für eine Marktübersicht und Inspirationen. Aber muss man dafür eine große Messe veranstalten? Wir haben in Berlin mehrere ‘Bauhaus’ Kaufhäuser mit Nautic Abteilung. In Spandau (Berlin) befindet sich der Anbieter AWN dicht bei einem Bauhaus mit guter Nautic Abteilung. Man könnte dort auf dem großen Parkplatz leicht Stände aufbauen, die für solche Vorführungen genutzt werden.
Vielfältiger Urlaubsmix
Zudem gibt es heute ein ganz anderes Urlaubsverhalten als noch vor 40 Jahren. Heute fliegt man für wenig Geld zu sonnigen Orten mit preiswerter Unterbringung. Welche Familie konnte sich das vor einer oder zwei Generation leisten? Damals wurde gezeltet oder die ganze Familie machte Urlaub auf einem Jollenkreuzer. Heute sieht das anders aus; die Ansprüche sind gestiegen und das Angebot ist vielfältiger.
Es gibt zahlreiche Charterbootanbieter. Die Wochenpreise für ein 10 m Boot sind auf den ersten Blick erschreckend, aber wenn man die Zeit und das Geld berechnet für die Anschaffung eines Bootes, seine Pflege, seinen Liegeplatz, An- und Abreisen, Kranen / Slippen etc. , sehen die Zahlen freundlicher aus. Wie sieht denn ein typischer Urlaubsmix im Jahr aus: Zwei Wochen Mallorca, eine Woche im Charterboot auf der Müritz und eine Woche Urlaub an der Ostsee oder in den Bergen.
Vor diesem Hintergrund ist es gar nicht leicht, Neukäufe von Booten mittlerer und teurer Preisklassen attraktiv zu gestalten. Außerdem gibt es viele alte Boote, die mit etwas Wartung und Pflege noch lange zu gebrauchen sind.
Schlechtere finanzielle Verhältnisse und Perspektiven
Beim Kauf eines teuren Bootes darf man einen ökonomischen Aspekt nicht unterschätzen. Viele Menschen haben heute deutlich schlechtere Rentenaussichten als ihre Vorfahren. Während alles teurer wird, bringt ein Guthaben keine Zinsen mehr und somit schrumpft seine Kaufkraft laufend bei ansonsten steigenden Kosten.
Vor 30 Jahren war das anders. Wenn damals 100.000 DM besaß und gut anlegte, konnte von den Zinsen locker einen Liegeplatz und die laufenden Kosten für ein Boot bestreiten und bei 5% Zinsen immer noch etwas Plus machen. Das gibt es längst nicht mehr und deswegen sind die Menschen zurückhaltender. Man muss sich doch nur die Entwicklung der Mieten für Wohnungen in Ballungsgebieten ansehen und zugleich den Arbeitsmarkt mit relativ vielen eher schlecht bezahlten Jobs, um zu erkennen, dass die Spielräume für teure und nachhaltige Hobbys für die meisten Menschen erheblich geringer sind als vor vielen Jahren. In dem Klima kann man natürlich nicht mehr so viele teure Boote verkaufen wie zuvor.