Bootsmesse Boot & Fun Berlin 2012. Beim Gang durch die Messehallen kam man irgendwann in die Abteilung der klassischen Boote. Hier standen alte Boote in einem mehr oder weniger restaurierten Zustand, teilweise liebevoll und mit großem Aufwand auf Hochglanz gebracht. Dass die Boote in dieser Halle nicht als Odtimer zusammengefasst wurden, lag daran, dass auch neue Boote mit klassischen Formen, wie die Hersteller behaupteten, und GFK-Boote in Holzoptik, also täuschend echt wie auf Hochglanz lackiertes Holz aussehend, ausgestellt und angeboten wurden. Wer sich mit Holz auskennt und weiß, dass es sich beim Trocknen zusammenzieht und beim Feuchtwerden quillt, also ausdehnt, wusste die Leistungen der Handwerker, die hier manches edle aussehende Boot ausgestellt hatten, wohl zu schätzen. Die in mehreren Schichten lackierten und polierten Oberflächen mancher Boote waren makellos wie beste Glasoberflächen.
Fast schien es surreal, unter dem Glanz eine Ansammlung von Holzleisten und Verbundstoffen als bestehenden Sachverhalt anzunehmen. Wie hatte man den tragenden Materialmix so vorbereitet, dass die gesamte Komposition nicht durch thermische und feuchtigkeitsbedingte Einflüsse den geschlossenen Zusammenhalt verlor? Mit Sicherheit spielten hier moderne Werkstoffe, wie Epoxyd-Harze, eine bedeutende Rolle. So wie Gunther Hagen seine Leichen präpariert, ist auch Holz mit tief eindringenden Substanzen so zu behandeln, dass es in seine ursprünglichen Charaktereigenschaften verliert. Ein perfekt auf Hochglanz gebrachtes Holzboot in Teak und Mahagoni hat nach all der Mühe den Nachteil, nicht von einem GFK-Boot mit fachmännisch aufgezogener Folie, die wie glänzendes Holz aussieht, unterschieden werden zu können.
Da lag ein langes schmales altes, schön aufgearbeitetes Motorboot aus Holz, das einst in den Zeiten, als Gleiter unüblich waren, nach dem Motto “Länge läuft” gebaut wurde. Nach heutigen Maßstäben wirkte es lächerlich, fast wie eine Requisite vom Christopher-Street-Day. Es gab drei Sitzbänke mit relativ wenig Fußfreiheit wie in einem alten Cabriolet und auch die beiden gebogenen Fenster erinnerten an diese Kategorie von der Straße. Nun gut, jedem das Seine. An dem Boot hing ein Schild. Das ‘For Sale’ war lieblos darauf getüncht, beinahe so, als ob dem Anbieter dieses Boot ein wenig peinlich war. Ohne auf eine zufriedenstellende Antwort zu kommen, ergab sich die Frage, wer so ein Boot erwerben und benutzen mochte. Vielleicht ein Unternehmen, ein Hotel oder eine Diskothek als Ausstellungsstück?
Zwischen den echten Oldtimern und neuen wie solche wirkende, stand ein bemerkenswertes Boot, das bereits durch seine Flanken aus hochglänzend überzogenen Kohlefasermatten bestand. Der Rumpf der ‘Runa 8’ war ein echter Hingucker. Länge: 8 m, Breite: 2,35 m, Tiefgang: 0,6 m, Gewicht: 1,4 t. Laut Prospekt gab es das Boot aus Epoxy-Glasfaser oder als Carbon-Sandwich. Das Deck gab es als Thermo-Nuss oder Teak. Das ausgestellte Boot hatte laut den Angaben seines Betreuers eine Leistung von 175 PS, die von einem Dieselmotor geliefert wurden. Der Hersteller kam vom Bodensee und hatte die Runa 8 für die dort geltenden Vorschriften entwickelt. Die Carbon-Variante war ein riskantes Projekt. Beim Ausstellungsstück war erkennbar, dass das Carbon-Gewebe nicht einheitlich erschien. Die Struktur wirkte optisch nicht gleichbleibend, so als ob es beim Auftrag der den Glanz verleihenden Schichten Unterschiede bei der Verbindung mit dem darunter liegenden Gewebe gegeben hatte. Produktionsschwäche, gewollter Effekt oder optische Täuschung? Aber dieses Detail war nur bei genauerem Hinsehen und Erfahrung mit solchen Oberflächen auffällig.
Die Art und Weise, wie das Boot ausgestellt war, zeigte, dass es eine schwimmende Plattform für zwei Liegen zum Sonnen war. Also ein Daycruiser für Tagesausflüge ohne Kabine, ohne Komfort und ohne WC trotz der 8 m Länge. Die Windschutzscheiben waren elektronisch versenkbar und achtern konnte die Bordwand zu einer Badeplattform herunter geklappt werden. Aber wo waren die Klampen und der Stauraum für einen Anker? Einmal los, immer los, oder wie war das gedacht?
Dieses Geschwindigkeit wurde im Prospekt mit 30-45 Knoten angegeben, abhängig von der Motorisierung. Wir fragten den freundlichen Herrn nach dem Preis für diese ungewöhnlich aussehende Bade-und Sonnenfläche. “200.000 €”, meinte er, ein stolzer Preis! Dafür wurden in den anderen Hallen komfortable große Motoryachten mit allem Komfort angeboten.
Dass zur Zielgruppe keine kleinlichen Menschen gehörten, ergab sich bereits aus dem Prospekt, der nur aus einem einzigen länglichen gefalteten Blatt bestand, also mit Titel und Rückseite gerade mal vier Seiten hatte und auf dunklem Untergrund mit wenigen Bildchen und Begriffen das Wesen dieses Bootes beschrieb. In der minimalistischen Beschreibung wurde der Name des Designers dreimal genannt und der Schiffbauingenieur einmal. Man leistete sich sogar die Extravaganz, auf der Rückseite dieses Prospekts das Boot gar nicht mehr zu zeigen, sondern nur noch die Wellenformen, die sich hinter dem fahrenden Boot bildeten. Zweifellos war dies ein ausgefallenes Markenprodukt von einem selbstbewussten Hersteller für ein reiches Klientel, das sich so ein Spielzeug leisten konnte. Offen gestanden, konnten wir uns nicht vorstellen, dass die Runa 8 in und um Berlin einen Käuferkreis fand. Selbst die Reichen am Kleinen Wannsee und auf der Insel Schwanenwerder schienen bodenständig genug, um beim Kauf eines Motorboots ein anderes Preis-/Leistungsverhältnis zu erwarten. In dem Bereich der Havel setzten sich eher moderne Yachten von Fjord durch, aber wir nahmen uns vor, in der kommenden Wassersportsaison, auf den hiesigen Gewässern nach einer Runa 8 Ausschau zu halten.