Zwischen dem Schloss Bellevue und der Friedrichstraße wird die Spree von vielen Fahrgastschiffen befahren. Kein Wunder, dass das Wasser- und Schifffahrtsamt hier keine größere Anzahl Sportboote sehen möchte und ihnen ohne Sprechfunk in diesem Gedränge die Fahrt untersagt. Die dicken Pötte bringen das Wasser mächtig in Bewegung und lassen kleineren Booten kaum Platz. Das ist kein Gewässer für ungeübte Motorbootfahrer oder Paddelboote.
Die Spree fließt durch das Regierungsviertel. Wer an dieser Stelle Berlin vom Wasser aus erleben möchte, sollte auf einem der zahlreichen Ausflugsdampfer mitfahren. Beginnen wir unsere Fahrt auf der Höhe des Bundespräsidialamtes und fahren bis zum Bahnhof Friedrichstraße. Hinter Bäumen ist das Schloss Bellevue erkennbar. Gleich darauf fährt das Schiff unter der Lutherbrücke durch. Links taucht ein langes geschlängeltes Haus auf. Es wurde zum Wohnen für Bundestagsangehörige konzipiert, die von hier aus zu Fuß alle Stellen im Regierungsviertel erreichen können. Rechts folgt das Haus der Kulturen der Welt, im Berliner Volksmund Schwangere Auster genannt. 1958 wurde dieses Gebäude von einer US-amerikanischen Stiftung als Geschenk an Berlin errichtet. 1980 stürzte die Dachkonstruktion teilweise ein. Dafür gab es eine bizarre Erklärung. In den Zeiten der Teilung Berlins in Ost und West flogen sowjetische Düsenjäger mit Überschallgeschwindigkeit über Veranstaltungsorte von Tagungen westdeutscher Institutionen. Die Schallwellen sollen der Auslöser des Einsturzes gewesen sein, doch ursächlich war die mangelhafte Konstruktion des Bauwerks. Infolgedessen kam es zu Korrosion am Spannstahl.
Die Fahrgäste auf dem Schiff haben kaum Zeit, diese Informationen aufzunehmen, da ist auch schon das Bundeskanzleramt erreicht. Eine schmale Fußgängerbrücke überspannt die Spree als Verlängerung des auf der rechten Uferseite stehenden Bundeskanzleramts. Die Spreeufer sind hübsch begrünt und bis hier noch immer Ausläufer des großen Tiergartens, dem zentralen Park in der Mitte Berlins.
Voraus ist die Moltkebrücke hinter der sich auf dem linken Ufer der Berliner Hauptbahnhof befindet, umgeben von fertigen und werdenden Hochhäusern. Alle Freiflächen werden zugebaut oder sind es bereits. Die ursprüngliche Großzügigkeit des Platzes ist kaum noch zu erahnen. Es ist eng geworden.
Auf der rechten Seite befindet sich das Ludwig-Erhard-Ufer. Hier wurde eine Grünfläche angelegt, der sogenannte Spreebogenpark. An der Spree stehen viele Liegestühle bei einer gastronomischen Lokalität namens Capital Beach. Eine Fußgängerbrücke verbindet den Vorplatz des Hauptbahnhofs mit dem Spreebogenpark. Auf dieser Brücke steht immer Leute, die das Treiben auf und an der Spree beobachten. Wer einen der Liegestühle des Capital Beach ergattert, wartet entweder auf einen Zug oder setzt das Motto ‘Sehen und gesehen werden’ auf bestmögliche Weise um. Der Ort wird im permanent durch zahllose Smartphones, Tablets und Digitalkameras fotografiert. Wer das nicht abkann, ist hier völlig fehl am Platz.
Links befindet sich ein Abzweig zum Humboldthafen. Hotels, Ministerien und Lobbyisten sind am Kapelle-Ufer ansässig. Bis 2011 war dies eine Freifläche, auf der sich der BundesPresseStrand befand, ein künstlicher Strand mit Gastronomie, Liegestühlen und Planschbecken mit Blick auf den Bundestag, die Schweizer Botschaft und das Kanzleramt. Dahinter fuhren Züge auf einer erhöhten Trasse vor dem Panorama der alten Gebäude des Krankenhauses Charité.
Schnee von gestern. Inzwischen ist hier alles zugebaut. Zeit zum Bedauern oder zum Bestaunen der neuen Architektur ist nicht gegeben, denn das Schiff nähert sich dem Bundestagsgebäude. Aus der Vogelperspektive sieht es aus wie ein langes Rechteck, das durch die Spree getrennt ist. Der Teil auf der linken Uferseite heißt Marie-Elisabeth-Lüders-Haus und auf der rechten Seite Paul-Löbe-Haus. Wer soll sich das merken? Eine kompliziertere Namensgebung konnte es nicht geben.
Und schon biegt das Schiff in die nächste Spreekurve ein. Auf der rechten Seite ist das alte Reichstagsgebäude zu sehen. Heute heißt es ‘Deutscher Bundestag’, doch niemand nennt es so. Alle sagen: “Reichstag”. An den Ufern sind viele Touristen zu sehen. Stadtführer haben ihre Gruppen um sich versammelt.
Weiter geht’s unter der Marschallbrücke hindurch. Am linken Ufer ist der Schiffbauerdamm. Hier gibt es einen Gastliegeplatz für private Sportboote. Dahinter ist ein längerer Plattenbau aus den Zeiten der DDR zu sehen. Seit dem Jahr 2010 gibt es wiederholt Meldungen über den in Bälde bevorstehenden Abriss, doch bislang trotzte das Gebäude diesen Ankündigungen.
Rechts liegt das Reichstagsufer mit einer durchgehenden Gebäudefassade, hinter der sich unter anderem das ARD-Hauptstadtstudio und das Bundespresseamt verbirgt.
Dann sind die Eisenbahnbrücken beim Bahnhof Friedrichstraße erreicht. Auf dem kurzen Abschnitt dahinter bis zur Weidendammer Brücke steht links der Tränenpalast, ein ehemaliges Abfertigungsgebäude der DDR. Berlin-Besucher aus dem Westteil musste hier durch, bevor sie zum Gleis mit den Zügen in Richtung Westberlin gehen durften. Direkt dahinter erhebt sich massig ein modernes Hochhaus mit Glasfassade.
Viel Zeit hat man nicht, um es zu bestaunen, denn am anderen Ufer, noch immer auf dem Schiffbauerdamm sind interessante Restaurants mit Plätzen im Freien direkt an der Spree zu sehen. Die ‘Ständige Vertretung’ dürfte vielen bekannt sein. Ein kleines Stückchen weiter ist bereits das Gebäude des bekannten Theaters ‘Berliner Ensemble’ zu sehen. Hier wirkte Bertolt Brecht, dem der Platz davor gewidmet ist.
Bevor das Schiff wendet und zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt, mag der eine oder andere Passagier noch die vielen bunten Vorhängeschlösser sehen, die Liebespaare an das Geländer der Weidendammer Brücke befestigt haben. Auf der Rückfahrt sieht man alles noch einmal aus einer anderen Perspektive.