In der Marina Schulz und auf dem Gelände des Bootshauses Saatwinkel stehen mobile Kräne. Auf dem Wasser dümpeln einige Boote. Die vordersten sind als nächstes dran. Sie werden heraus gekrant und auf ihren winterlichen Platz an Land gestellt. An den Stegen des Wasser-Sport-Club Siemensstadt (WSCS) liegen noch zwei Boote. Die anderen befinden sich bereits unter Planen auf dem Vereinsgelände, doch sind keinerlei Aktivitäten wahrzunehmen. Offenbar wurden die Boote bereits am vorigen Wochenende herausgeholt.
Der 25 Oktober ist ein trüber Tag, kühl, feucht und herbstlich, wenngleich das Laub an vielen Bäumen immer noch grün und frisch aussieht. In anderen Jahren sah das anders aus. Goldenes Herbstlaub säumte die Ufer; diesmal ist noch nicht so weit, doch die Temperaturen und der frühe Abendbeginn begründen deutlich, dass die Wassersportsaison aus gutem Grund endet.
Wegen des zu erwartenden Frostes stehen die Boote bis Ostern des kommenden Jahres an Land. Behälter und Leitungen mit Wasser werden entleert und die Motoren eingewintert. Bei den fest eingebauten Antrieben bedeutet dies das Befüllen des Kühlwassersystems mit Frostschutzmittel, wenn sie üblicherweise durch Seewasser gekühlt werden. Da hat jeder Bootseigner seine eigene Prozedur und Mittel. Außenborder sind einfacher zu handhaben. Bei ihnen läuft das Kühlwasser aus und Frostschutzmittel ist unnötig. Dennoch findet auch bei Ihnen die eine oder andere Vorbereitung für den mehrmonatigen Stillstand statt. Kleinere Außenborder werden abgeschraubt und im Bootshaus untergestellt. Die größeren bleiben an den Booten.
Auf dem Gelände des Bootshaus Lahe ist das Slipteam um das Hafenmeisterduo Mette Senior und Junior fleißig dabei, ein Boot nach dem anderen heraus zu holen. Das läuft routiniert und stressfrei ab. Einige Bootseigner schimpfen gutmütig über die langen Wartezeiten, denn verbindliche Zeitkorridore für das Herausholen ihrer Boote gibt es nicht. In der Kühle fröstelt mancher, sodass die Ungeduld verständlich ist, doch gibt es genügend Leute, mit denen noch über dies und jenes geklönt wird. Viele Bootskameraden nutzen die Gelegenheit und auf einem Tischchen neben dem Büro steht eine große Thermoskanne voller Kaffee.
Ein bisschen Spannung ist immer dabei. Kommt das Boot heile an Land? Wie sieht das Unterwasserschiff aus? Ist es stark verdreckt oder werden Schäden sichtbar? Steht es erst mal an seinem Platz, geht die Suche nach dem Kärcher los, mit dem das Boot kräftig abgespült wird, um einen Belag aus Algen und einige Muscheln vom Rumpf zu entfernen. Je früher das passiert, desto besser, glauben viele. Trocknet das Zeug einmal fest, soll es sich nicht mehr so leicht lösen lassen, lautet die Erklärung. Jeder möchte sein Boot so schnell wie möglich unter eine winterfeste Plane bekommen, denn das Wetter kann rasch umschlagen und die Herbststürme einsetzen.
Auf meinem Boot trete ich die letzte Fahrt dieses Jahr an. Freundlicher Sonnenschein wäre schön, jedoch verläuft sie an diesem diesigen, nasskalten Tag etwas ungemütlich. Nur zwei weitere Boote sind unterwegs. Ein Graureiher fliegt tief vorbei und auf einem treibenden Baumstamm, einer Barriere zu dem gesperrten Gewässerabschnitt Kleine Malche, stehen Kormorane und trocknen ihre Flügel. Die kleine Fähre Speedy bringt Leute von der Insel Maienwerder zum Fähranleger im Saatwinkel. Eine andere Fähre, die Odin I, von der Insel Valentinswerder erscheint wegen der diesigen Sicht mit eingeschalteten Navigationslichtern.
Meine Fahrt soll den Dieselmotor erwärmen, damit ein Thermostat den Durchfluss des Kühlwassers durch den Motorblock freigibt. Gleich nach dem Anlegen und Festmachen wird die Haube des Motors weggeklappt und das Seewasserventil geschlossen. Der Deckel des Wasserfilters wird abgeschraubt und bei laufendem Motor rund 2 Liter Frostschutzmittel eingefüllt, das der Yanmar 2GM in sich hineinpumpt. Sobald am Kühlwasseraustritt Frostschutzmittel herausfließt, wird der Motor gestoppt, der Deckel des Wasserfilters aufgeschraubt und das Seewasserventil wieder geöffnet. Wenn man weiß, wie es geht, ist es einfach.
Der Frischwassertank wird fast leer gepumpt und Frostschutzmittel eingefüllt, damit in den Schläuchen und in der Pumpe kein Schaden durch Frostbildung entsteht. Das Verfahren erspart mir im kommenden Frühjahr das mühselige Ansaugen des Wassers bis die elektrische Pumpe einen kontinuierlichen Wasserfluss erzeugt. Statt Frostschutzmittel kippen andere Bootskollegen zwei oder drei Flaschen Schnaps in ihr Frischwassersystem. So oder so wird der Tank zum Beginn der nächsten Wassersportsaison gründlich gereinigt. Gleiches findet mit der Seewasserpumpe statt, die eine Heckdusche versorgt. Dabei fällt mir auf, dass die Schlauchschelle am Ventil lose sitzt. Nicht gut; der Schlauch hätte abrutschen können. Die Handhabungen zum Ein- und Auswintern sind zugleich Inspektionstermine.
Noch drei Gänge zum Auto und das Boot ist nahezu leer bis auf seine Taue, Ketten und Anker und ein paar andere Dinge, die in den kommenden Monaten an Bord bleiben dürfen. Doch die Polster und Textilien bedürfen der Reinigung und werden anschließend in geheizten Räumen gelagert. Das Auto ist voll und das Boot liegt fast 10 cm höher im Wasser. Es ist erstaunlich, wie viel die ausgeräumten Sachen wiegen. Lebensmittel, Getränke, Handtücher, Decken, Kleidung, Bücher, drei kleine Stoffbären und ein paar weitere Dinge. Später wird alles in die Wohnung hoch getragen, um das leere Auto gleich wieder mit Teilen eines Holzgestells, zwei Winterplanen und Böcken für den Trailer zu beladen. An solchen Tagen braucht man kein zusätzliches Fitnessprogramm.