Seit der Einwinterung der Boote, Ende Oktober 2012, gab es keine mehrtägige sonnige Wetterperiode in Berlin und Umgebung. Wer sein Boot im Herbst vergangenen Jahres aus dem Wasser geholt hat, in der Absicht, zeitnah ein paar Wartungsarbeiten auszuführen, wurde von der schlechten Witterung demotiviert. Zwar gab es Hartgesottene, die bei jedem Wetter im Freien am Boot arbeiten, aber vielen Freizeitkapitänen verging bei dem nasskaltem Wetter die Lust dazu.
Ein Blick auf den Kalender macht es deutlich. In ca. einem Monat sind die Boote wieder im Wasser. Wenn noch etwas getan werden muss, solange sie an Land stehen, bleibt nicht mehr viel Zeit. Pünktlich zum Märzanfang scheint nach langer Abwesenheit mal wieder die Sonne. Grund genug, zum Liegeplatz zu fahren und die Lage auf dem Gelände zu checken. Die Plane unseres Bootes ist trocken. Daher wagen wir es, sie zu lösen und in das Boot hineinzusteigen. Innen ist es leicht klamm. Das Granulat des Luftentfeuchters wird ausgetauscht. Bislang hat es gut gewirkt. Im Boot riecht es nicht muffig und es ist kein Schimmel zu sehen. In dieser Hinsicht sollte nichts mehr schief laufen. Das Unterwasserschiff haben wir gleich nach dem Anlandbringen im vergangenen Jahr gründlich gekärchert. Es ist sauber und der Antifouling-Anstrich sieht ordentlich aus. Wir könnten ihn auffrischen, aber das muss nicht sein, mal sehen. Eine 2-Euro-Stück große Stelle etwas oberhalb der Wasserlinie zeigt einen Abplatzer des Gel-Coats. Wir müssen etwas unsanft angestoßen haben. Vielleicht war es ein treibendes Stück Holz? Keine große Sache, sie wird mit zwei halbstündigen Aktionen behoben sein.
Wir laufen über das Gelände und begutachten die anderen Boote. Trotz der Kälte macht sich ein alter Mann mit einem Schleifgerät an einem Holzboot zu schaffen. Das dürfte sein erster Arbeitstag sein, denn am Rumpf ist noch keine Wirkung von seinen Bemühungen sichtbar.
Ein weiterer alter Mann, der die Mitte 80 bereits überschritten hat, hat hier zwei Boote liegen, die er in mehrjähriger Arbeit selbst gebaut hat. Das eine ist ein 10 m langes Segelboot, dessen Rumpf aus 22 mm dicken Holzplanken gebaut wurde. Die so entstandene Schale wurde mit acht Lagen Glasfasergewebe und Epoxydharz überzogen. Für den Bau dieses mächtigen und stabilen Segelboots mit schwerem Kiel brauchte er acht Jahre. Es ist für den Einsatz auf der Ostsee gedacht.
Sein anderes Boot hat zwei ausklappbare Ausleger. Dieses Fahrzeug hat einen Tiefgang von nur 30 cm und eignet sich gut für mehrtägige Fahrten auf der Havel und dem brandenburgischen Seen, mit der Möglichkeit, im flachen Uferbereich zu ankern, um dort die Nacht zu verbringen. Erstaunlicherweise befinden sich beide Boote bereits in einem guten Zustand. Ihre Unterwasserschiffe sind sauber und mit Antifauling gestrichen. Wir treffen den Eigner der Boote, der seinem hohen Alter zu Trotz auf langen Leitern seine Boote erklimmt und mit allerlei schwerem Zeug hantiert. Er braucht weder Gesellschaft noch Hilfe. Mehr als ein paar Sätze können wir nicht wechseln bevor er weitermacht. Wir fragen ihn, was er mit zwei Boote macht und erhalten die bereits genannten Auskünfte. Er fügt hinzu, die Boote seien seine Kinder, er habe sie selbst gebaut und könne keins abgeben. Offenbar sind sie auch sein Lebenselixier, denn wer hoch betagt noch rüstig auf den aufgebockten Booten umher klettert oder sich unter die Rümpfe begibt, um sie zu streichen, leistet allerhand.
Wir begutachten weitere Boote. An einigen Z-Antrieben befinden sich ausgedehnte Muschelkolonien. Wurde die Boote nicht gefahren? Es erscheint uns kaum vorstellbar, dass die Muscheln in der Stärke bei laufendem Propeller haften bleiben. Außerdem sind sie gut zu beseitigen, wenn ein Unterwasserschiff gleich nach dem Rausholen mit einem Hochdruckreiniger abgesprüht wird. Die Inspektion der Boote zeigt, dass einige kaum bewegt werden. Entweder dienen sie als stationäre Wochenendlaube oder werden gar nicht benutzt. Bei den heutigen Spritpreisen kann man es niemanden mit zwei starken Antrieben verdenken, dass sie kaum noch rausfahren.
Danke für die Erinnerung. Die erste Fahrt im Boot steht bald an. Noch kann man es kaum glauben, eigentlich wie jedes Jahr. Die Einwinterung ist stets ein trauriger Akt, der die lange dunkle Jahreszeit ankündigt. Im März sieht die Sache anders aus. Ich wünsche allen Bootsfahrern eine gute Saison 2013!
LG
Ute
Das Boot liegt jetzt beim Bootsstand Lahe.