An der Greenwichpromenade am Tegeler See sind mehrere Anlegestellen für Ausflugsdampfer. Hier hat die Reederei Stern- und Kreisschifffahrt ihre MS Havel Queen, eine Art Mississippi-Dampfer, und den Moby Dick stationiert, der einem Wal nachempfunden wurde. Die beiden Schiffe an sich sind bereits Sehenswürdigkeiten dieser Stadt. Weiterhin sind hier die MS Feen Grotte der Reederei Vogt, die MS Roland von Berlin von H. Triebler und die MS Berlin der Reederei Bethke zuhause. Eine Dampferfahrt entlang der westlichen Seite des Tegeler Sees führt zuerst an einigen Bootsvereinen vorbei. Linkerhand folgt die Halbinsel Reiherwerder, die einst vom Industriellen Borsig durch Aufschüttungen mit dem Land verbunden wurde. Die Unternehmerfamilie ließ eine prächtige Villa im Format eines ausgewachsenen Schlosses bauen. Heute ist sie eine Akademie des Auswärtigen Amts zur Ausbildung für mittlere bis höhere Dienste. Eine Diplomatenschmiede sozusagen. Das Gelände ist nicht öffentlich zugänglich, doch vom Schiff aus kann man die Borsig-Villa gut sehen. Rechts liegt die Insel Hasselwerder.
Es folgen weitere Inseln: Lindwerder, Scharfenberg, Maienwerder und Valentinswerder, zu denen keine Brücken führen. Sie alle sind Welten für sich, nur mit dem Boot erreichbar und bewohnt von Insulanern, die dort ihre Wochenendhäuschen haben. Auf Scharfenberg befindet sich ein Internat. Die Insel Valentinswerder gehört einem Nachfahren der ehemaligen Berliner Bauunternehmers Paul Haberkern, der im 19. Jahrhundert zahlreiche typische Berliner Wohnhäuser mit Hinterhöfen gebaut hat. Auf Valentinswerder stehen einige bemerkenswerte Villen aus der Zeit des alten Haberkern. Der Grund und Boden wird an die jeweiligen Bewohner verpachtet. Die Familie verkauft kein Land. Einige Insulaner wohnen ganzjährig auf Valentinswerder.
Unweit dieses merkwürdigen Ensembles aus Inseln starten und landen die Flugzeuge am Flughafen Tegel. Das Zentrum der Hauptstadt liegt circa 13 km entfernt. Mag dort hektischer urbaner Alltag vorherrschen; hier ist nichts davon zu spüren. Wer sich in seiner Datsche auf einer der Inseln aufhält, ist ganz weit weg vom Rest der Welt, die keine Notiz von diesen Rückzugsorten nimmt. Auf jeder Insel ist eine eigene Gemeinschaft entstanden. Maienwerder ist anders als Valentinswerder, die gerade mal 100 Meter entfernt ist. Und Scharfenberg mit seinem Internat ist wiederum eine eigene Welt.
Das Ufer des Festlandes ist bewaldet. Erst auf Höhe von Valentinswerder, beinahe am Ende des Tegeler Sees stehen schöne Häuser am Ufer. Außerhalb der Wahrnehmung vieler Berliner, die vor allem ihre zentralen Bezirke kennen, befindet sich eine der attraktivsten Wohngegenden der Hauptstadt. Entlang der Havel bis zum Nieder Neuendorfer See steht hier ein schönes Anwesen neben dem anderen. Auf der gegenüberliegenden Uferseite befindet sich Spandau.
Beim Erreichen der Havel richtet unser Fahrgastschiff seinen Kurs nach rechts stromauf und durchquert eine Havelverbreiterung, deren Ufer von Bootsvereinen gesäumt wird. Hier liegen vor allem Segelboote. Auf der rechten Seite befindet sich das Restaurant Igel mit Gastanlegeplätzen für Besucher. Dahinter steht ein großes hölzernes Bootshaus mit Reetdach. Es mutet seltsam an, dass ein so brandgefährlich wirkendes Gebäude ausgerechnet der Berliner Feuerwehr gehört. Mitunter sind darin zwei oder drei kleine offene Rettungsboot zu sehen, für die das Bootshaus viel zu groß ist. Das Fahrgastschiff erreicht die Stelle, an der die Autofähre Hol Über III zwischen Spandau und Tegelort pendelt. Wer hier langfährt, muss auf die Fähre achtgeben. Die Sportbootfahrer beobachten die Schranke an Land bei der Fähre. Steht sie senkrecht nach oben, kann man weiterfahren. Senkt sie sich, fährt die Fähre gleich los.
Weiter geht es auf der Havel. Das Spandauer Ufer auf der linken Seite ist bewaldet und auf der rechten Seite kann man sich am Anblick der vielen netten Häuser und Grundstücke erfreuen. Wie man an solche Grundstücke herankommt, mag sich der eine oder andere Fahrgast fragen. Eine Antwort gibt es nicht. Stattdessen fährt man entspannt auf dem Fluss bis zur Stadtgrenze. Links endet Spandau und Nieder Neuendorf beginnt, ein Ortsteil der Stadt Hennigsdorf. Hier steht ein ehemaliger Wachturm der DDR-Grenze. Er wird als Museum erhalten und ist auf weiter Flur die einzige Sehenswürdigkeit, die Eingang in Stadtführer findet. Dann verbreitert sich die Havel zum Nieder Neuendorfer See, dessen östliches Ufer zu Berlin gehört, ehemals Westberlin, während auf der anderen Seite die brandenburgische Stadt Hennigsdorf liegt. Die einstige Grenze zwischen Ost und West verlief durch das Gewässer. Hier wenden einige der Fahrgastschiffe, doch gibt es einige die bis zum Havelkanal fahren. Dort befindet sich eine eigenartige lang gestreckte schmale Insel, die zu DDR-Zeiten durch versenkte Binnenschiffe gebildet wurde, um einen Kontrollposten für Binnenschiffe einzurichten. Wer scharf hinschaut sieht die Reste der Anlage, doch mittlerweile sind sie durch Bäume und Büsche überwachsen. Im Frühjahr ist die vom Land abgeschnittene Insel eine Brutstätte für Enten, Schwäne, Blässhühner, Gänse und Fischreiher.
Diese Fahrten sind ideal zum Entspannen. Es gibt genug zu sehen, aber anders als auf der innerstädtischen Spree, wo man meint, sich die Namen und Funktionen der Regierungsgebäude und sonstigen Bauten merken zu müssen. Auf den Fahrgastschiffen der oberen Havel kann man sein Kaffeegedeck gemütlich ohne Bildungsdruck genießen. Die Natur steht im Vordergrund. Hier sind Fischreiher und Kormorane zu sehen. Sportboote aller Art pflegen hier ein friedliches Miteinander, wobei es den Gewässerunkundigen überraschen kann, mit welcher Verständlichkeit Angler zwei lange Stangen an unmöglich erscheinenden Stellen in den Grund der Havel rammen, ihre kleinen Angelkähne daran befestigen und ungerührt bleiben, wenn unweit davon große Binnen- oder Fahrgastschiffe vorbeiziehen.
Auf der Rückfahrt beim Erreichen des Tegeler Sees wählen einige Fahrgastschiffe eine andere Route. Sie fahren an Valentinswerder vorbei und durch eine schmale Gewässerenge zwischen der Insel Maienwerder und der kleinen Malche in den Tegeler See. Das Gebiet heißt Saatwinkel. Am Ufer des Festlandes befinden sich zahlreiche Marinas. Eine heißt Blumeshof und hat eine interessante Geschichte, die an anderer Stelle erzählt wird.
Es folgen die Inseln Baumwerder und Reiswerder. Am Ufer des See sind zwei Badestrände und Rettungsstationen des ASB und des DLRG. Ein paar Minuten später liegen am rechten Ufer vier Segelvereine nebeneinander. Der Rest ist Tegeler Sees es bald überquert und das Fahrgastschiff erreicht seinen Ausgangspunkt an der Greenwichpromenade in Tegel.